Polizeigewalt gegen Geflüchtete

Ungesühnte Tötungen und Verletzungen im behördlichen Dunkelfeld

Die Dokumentation der vergangenen 27 Jahre zeigt, dass mindestens 1298 geflüchtete Menschen durch Gewaltanwendungen von Polizist:innen und Bewachungspersonal verletzt wurden – für 28 Menschen endete diese Gewalt tödlich. 24 Tötungen (86 %) und 1050 (81 %) zum Teil schwerste Verletzungen entfallen auf die direkte Einwirkung von Angehörigen der Polizei.

Grundlegende Ursache für Gewalt von Polizeibeamt:innen gegen People of Color ist der strukturelle und gesellschaftliche Rassismus in Deutschland. Geflüchtete sind polizeilichen Aktionen durch ihre weitgehende Entrechtung in besonderem Maße ausgesetzt. Seien es sprachliche Barrieren, seien es Orte der Isolation – Haftzellen, Flüchtlingslager oder Abschiebeflugzeuge – in denen Gewalt ausgeübt wird. Die Betroffenen sind in diesen Situationen meist mehreren bewaffneten Uniformierten hilflos ausgesetzt.

Tötungen oder schwere Verletzungen durch polizeiliche Maßnahmen werden grundsätzlich mit „Notwehr“ gerechtfertigt. Ermittlungen gegen Polizist:innen werden demzufolge schnell eingestellt. Nur sehr selten kommt es zu Gerichtsverhandlungen, Aussagen der dem Corpsgeist verpflichteten Zeug:innen erscheinen dort jedoch oft abgesprochen. Am Ende stehen Freispruch oder lapidare, die berufliche Laufbahn nicht beeinträchtigende, Strafen.

Mit der in der Regel von Anfang an geäußerten „Notwehr“-These erfolgt die Kriminalisierung der Betroffenen und entsprechend dieser Schuldumkehr werden sie, wenn sie überleben, angezeigt und wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und/oder Körperverletzung vor Gericht gestellt.

Nur selten gelingt es, Licht in dieses behördliche Dunkelfeld zu bringen. Bei Oury Jalloh, der 2005 in der Dessauer Polizeizelle verbrannte, konnte die anfängliche offizielle These „Suizid“ nur durch jahrelanges und größtes Engagement der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ widerlegt und als „Mord“ bewiesen werden. Andere Todesfälle – wie die polizeiliche Erschießung von Hussam Fadl Hussein im September 2016 in Berlin, die Verbrennung des angeblich irrtümlich in Haft sitzenden Amad Ahmad in Kleve im September 2018 als auch der angebliche Suizid von Rooble Warsame in einer Polizeizelle in Schweinfurt im Februar 2019  – lassen in ihrer Widersprüchlichkeit deutliche Zweifel an den offiziellen Bekanntgebungen aufkommen.

Siehe hierzu den ANHANG mit EINZELGESCHEHNISSEN, in denen Gewalttaten durch Angehörige der Polizei dokumentiert sind.

GESAMTTEXT  ==>>   https://www.ari-dok.org/uploads/mini_cms/publications/GESAMT-DOKU_27a_Auflage.pdf

Die Dokumentation umfaßt den Zeitraum vom 1.1.1993 bis 31.12.2019:

309 Flüchtlinge töteten sich angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder starben bei dem Versuch, vor der Abschiebung zu fliehen,
davon 85 Menschen in Abschiebehaft.
3375 Flüchtlinge verletzten sich aus Angst vor der Abschiebung oder aus Protest gegen die drohende Abschiebung (Risiko-Hunger- und Durststreiks)
oder versuchten, sich umzubringen, davon befanden sich 868 Menschen in Abschiebehaft.
Flüchtlinge starben während der Abschiebung.
586 Flüchtlinge wurden durch Zwangsmaßnahmen oder Mißhandlungen während der Abschiebung verletzt.
39 Flüchtlinge kamen nach der Abschiebung in ihrem Herkunftsland zu Tode.
623 Flüchtlinge wurden im Herkunftsland von Polizei oder Militär mißhandelt und gefoltert, kamen aufgrund ihrer bestehenden schweren Erkrankungen
in Lebensgefahr oder erkrankten schwer.
79 Flüchtlinge verschwanden nach der Abschiebung spurlos.
234 Flüchtlinge starben auf dem Wege in die Bundesrepublik Deutschland oder an den Grenzen, davon allein 131 an den deutschen Ost-Grenzen,
3 Personen trieben in der Neiße ab und sind seither vermißt.
793 Flüchtlinge erlitten beim Grenzübertritt Verletzungen, davon 353 an den deutschen Ost-Grenzen.
28 Flüchtlinge starben durch direkte Gewalteinwirkung von Polizei oder Bewachungspersonal entweder in Haft, in Gewahrsam, bei Festnahmen,
bei Abschiebungen, auf der Straße, in Behörden oder in Heimen, mindestens 1298 wurden verletzt.
26 Todesfälle gab es durch unterlassene Hilfeleistung.
86 Flüchtlinge starben bei Bränden, Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte und Wohnungen oder durch sonstige Gefahren und
1765 Flüchtlinge wurden dabei z.T. erheblich verletzt.
27 Flüchtlinge starben durch rassistische oder politische Angriffe im öffentlichen Raum und mindestens 3344 Flüchtlinge wurden körperlich angegriffen.

Durch staatliche Maßnahmen der BRD kamen seit 1993 mindestens 641 Flüchtlinge ums Leben –
durch rassistische Angriffe und die Unterbringung in Lagern (u.a. Anschläge, Brände) starben 113 Menschen.

Die Dokumentation umfaßt vier Hefte (DIN A4). Sie kosten zusammen 35 € plus 5,00 €  Porto & Verpackung.
HEFT  I  (1993 – 2004) 356 S. – HEFT  II  (2005 – 2013) 336 S. HEFT  III  (2014 – 2016) 278 S. – HEFT  IV  (2017 – 2019) 262 S
Preise der einzelnen Hefte ==>>   siehe www.ari-dok.org
Datenbank + Suchmaschine ==>>  www.ari-dok.org (vorläufig noch die 26. Auflage ==>>   ab August die 27. Auflage – bis dahin nur im pdf-Format)

Am 22. August 2020 nach Hanau! Unterstützungsaufruf zur Demonstration gegen Rassismus und Rechtsextremismus

Die Angehörigen der Opfer des rassistischen Terroranschlags vom 19. Februar in Hanau, Überlebende und UnterstützerInnen rufen für den 22. August 2020, sechs Monate nach dem gewaltsamen Tod von neun Menschen, zur Demonstration und Kundgebung nach Hanau auf. Die Hinterbliebenen, Verletzten und Überlebenden fordern: * ein würdevolles, von ihnen gestaltetes Gedenken und Erinnern im öffentlichen Raum; * Gerechtigkeit und Entschädigung; * lückenlose Aufklärung der Tat und der Verantwortung staatlicher Behörden für das Attentat; * dringend notwendige politische Konsequenzen in Hessen ebenso wie bundesweit.

Als Unterzeichner*innen dieses Aufrufs teilen wir diese berechtigten Forderungen der Betroffenen und rufen zur Teilnahme an dieser Demonstration auf.

Wir unterstützen den Gedenk- und Aktionstag in Hanau auch, weil uns die Situation und Auseinandersetzung dort, mitten in Hessen, exemplarisch erscheint. Zentrale Fragen der Angehörigen zum Vorgehen der Polizei und anderer staatlicher Institutionen vor, während und nach der Tatnacht bleiben unbeantwortet und auch ein halbes Jahr danach sind keinerlei politische Konsequenzen zu erkennen. Im Gegenteil: Der aktuelle Skandal um die Todesdrohungen des NSU 2.0 mit Informationen aus hessischen Polizeicomputern zeigt, dass mörderischer Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus weiter zunehmen und von Polizisten, Soldaten und Behörden toleriert oder gar unterstützt werden. Weder in Hanau noch in Halle oder in Kassel waren Einzeltäter am Werk, sondern Mörder, die sich durch rassistische Hetze ermutigt und bestätigt fühlen.

Wir wollen, dass die Forderung der Angehörigen und Überlebenden von Hanau überall gehört werden: „Wir wollen, dass Hanau keine Station von vielen ist, sondern die Endstation. Wir sagen ein halbes Jahr danach: Es muss sich endlich nicht nur etwas, sondern vieles in diesem Land ändern… Dass durch Taten und nicht nur Worte oder Kränze gezeigt, ja bewiesen wird, dass dieser Anschlag und dass Rassismus und Rechtsextremismus in diesem Land nicht geduldet, toleriert und akzeptiert werden.“ Wir schließen uns diesen Worten der Angehörigen aus Hanau an und rufen mit Ihnen dazu auf, sich am 19. August an dezentralen Gedenkaktionen zu beteiligen und dann am 22. August nach Hanau zu kommen.

Aktionstag am 30.07.2020 „Evakuiert die verdammten Lager! Stoppt alle Abschiebungen!“

Liebe Freund*innen und Genoss*innen,

der fortschreitende gesellschaftliche Rechtsruck ist allgegenwärtig. Nicht nur das Massensterben im Mittelmeer ist unerträgliche Realität. Menschen, die es zunächst bis hier her geschafft haben, werden nicht nur massiv rassistisch angegangen, sondern das Ziel bleibt, sie durch Abschiebungen so schnell wie möglich wieder außer Landes zu schaffen. Selbst in Zeiten der Pandemie fokussieren sich die deutschen Behörden darauf, Abschiebungen so schnell wie möglich in gewohntem Umfang durchzuführen.

Dem stellen wir uns entschieden entgegen.

Deshalb wollen wir in einem Aktionstag am 30.07.2020 benennen, wie alle staatlichen Gewalten an der rassistischen Abschiebepraxis beteiligt sind.

Wir werden ab dem Vormittag nacheinander dem Verwaltungsgericht Hannover, der CDU Hannover und der Ausländerbehörde und Polizei am Schützenplatz „Besuche“ abstatten und den Institutionen ihre Rolle innerhalb des unmenschlichen Abschiebeprozesses vor Augen führen. Nach weiteren Kundgebungen in Ricklingen und Mühlenberg beenden wir den Aktionstag mit einer Demo, die um 17:00 Uhr am Küchengarten in Linden startet und bis zum Lindener Schmuckplatz geht.

Es kann nicht sein, dass eine Asylrechtsverschärfung nach der anderen beschlossen wird, während illegale push-backs an Europas Außengrenzen in der Regel keine Nachrichtenmeldung mehr wert zu sein scheinen. Deshalb lasst uns am 30.07. ab 17:00 Uhr mit möglichst vielen Menschen laut und entschlossen protestieren.

Für sichere Fluchtwege!

Für die Evakuierung der verdammten Lager!

Für den Stopp aller Abschiebungen!

Für Bewegungsfreiheit für alle überall!

Hier der link zur facebook Veranstaltung https://www.facebook.com/events/1653738798119751/

Infos zu den anderen über den Tag verteilten Aktionen kommen im Laufe der nächsten zwei Wochen über unsere social media Kanäle https://www.instagram.com/seebrueckehannover/, https://twitter.com/SeebrueckeH, https://www.facebook.com/dasistdergipfel/

Sudanesische Aktivist_innen rufen zu einer Demonstration

am Freitag, 17. Juli, um 17.00 Uhr auf dem Opernplatz Hannover auf.

Anlass ist die Tatsache, dass es im Sudan immer wieder gewalttätige Konflikte gibt, wie u.a. zuletzt in Darfur, wo es immer wieder bewaffnete Überfälle und Angriffe durch auf die ansässige Bevölkerung.

Mit der Demo sollen einerseits Proteste in Darfur, die v.a. in Form eines Sitzstreiks zunächst in der Stadt Nierteti stattfanden, unterstützt werden, als auch die Forderung unterstrichen werden, dass Abschiebungen in den Sudan angesichts der weiterhin instabilen Lage nicht durchgeführt werden sollen.

Hier der Aufruf der sudanesischen Aktivist_innen:

“one year after the fall of Bashir regime and security situation in Darfur escalating continuously, as at the end of December 2019  the Janjaweed militia has burnt Kringding  IDPs camp resulting in killing of hundreds and displacement of more that 46,000 people, according to the INHCR the burning of the villages came back again as it happens in 2  June 2020 The militias bombed the village of Kutrum indiscriminately 8 civilians were killed including children, 10 June armed militia killed a farmer and looted 2 water pomps and terrorized villagers in the Audio village in Jebel Marra. On 11  June the militia killed a farmer and looted 36 cartels. 12 June the militia looted 42 cattle’s and killed the sheffered .22 June farmers were denied to go to their farms due to internal fighting  between rebel which according to UN displaced 37,000 civilians. 20 June Janjaweed killed displaced woman . 20 June the militia kidnapped a farmer from his farm taken to unknown location until now. All these clashes were accompanied by rape of girls and women. Yet the Covid 19 combating services and medical care were below the needs of the people of Darfur.  The government fail to provide the necessary medical care and collapse of the health care system took place Elfasher as it is the capital city of North Darfur State. 

It is obvious that the situation in Darfur is unchanged, it is unsafe for the deportation of refugees from Germany.“

Petition nach Ausrufung des Notstands an Bord der Ocean Viking

Photo credits: Flavio Gasperini / SOS MEDITERRANEE
Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer,

die letzten Tage haben gezeigt, wie dringend wir eine europäisch koordinierte Seenotrettung brauchen: Am Donnerstag sprangen zwei der 180 Geretteten an Bord der Ocean Viking in ihrer Verzweiflung ins Meer. Eine Woche war seit dem Rettungseinsatz vergangen. Malta und Italien reagierten nicht auf unsere Bitten um Zuweisung eines sicheren Hafens. Viele Überlebende waren körperlich und psychisch erschöpft. Die Situation spitzte sich zu.

Eine Gruppe Geretteter äußerte Selbstmordgedanken oder drohte sich selbst und andere zu verletzen. Nach sechs Suizidversuchen innerhalb von 24 Stunden sah sich die Ocean Viking am Freitag gezwungen, den Notstand auszurufen – zum ersten Mal in der Geschichte von SOS MEDITERRANEE. Die Sicherheit von Überlebenden und Crew waren in Gefahr (die Ereignisse der vergangenen Tage können hier nachgelesen werden).

So etwas passiert, wenn EU-Staaten aus Seenot Geretteten in extremer psychischer Notlage verweigern, unverzüglich an einem sicheren Ort an Land zu gehen – so wie es das Seerecht vorschreibt. Sieben Mal hatte die Crew an Bord Malta und Italien vergeblich um die Zuweisung eines sicheren Hafens gebeten. Die EU schwieg.

Nach drei weiteren Tagen der Ungewissheit konnten die Geretteten Montagnacht endlich in Porto Empedocle, Sizilien, von Bord gehen. Die unnötigen Verzögerungen und die Weigerung der EU-Staaten zu handeln gefährden Menschenleben! Sie sind unwürdig und unmenschlich. Das zeigte auch die Situation auf dem Frachtschiff MS Talia: 53 Gerettete mussten tagelang in Tierställen an Bord ausharren

Medien berichten, dass Innenminister Horst Seehofer nach einem gestern stattfindenden informellen Treffen der EU-Innenminister heute eine verbindliche Lösung erst 2021 für realistisch hält. So lange können weder die Menschen, die vor der eskalierenden Gewalt in Libyen fliehen, noch wir als Seenotretter*innen warten. Die humanitäre Not besteht jetzt und nicht erst nächstes Jahr!
Bundesaußenminister Heiko Maas muss das EU-Seenotrettungsprogramm sofort auf die Agenda der gerade begonnenen deutschen EU-Ratspräsidentschaft setzen.

Deshalb: Teile bitte unsere Petition mit Freund*innen, Familie und Kolleg*innen! Mit vielen Unterstützer*innen hinter uns können wir ihn viel besser überzeugen!

Danke & herzliche Grüße,
Till Rummenhohl 

Vorstand von SOS MEDITERRANEE e.V.