Mehr Befugnisse für private Sicherheitsdienste? Ein weiterer Angriff auf die Grundrechte – Informations- und Diskussionsveranstaltung, online – Montag, 05.07.2021, 19:00 Uhr

Immer wieder ist die Rolle von kommerziellen Sicherheitsdiensten (Security) in der gesellschaftspolitischen Diskussion ein umstrittenes Thema. Die Befugnisse des Sicherheitspersonals sind intransparent und Übergriffe nicht selten.

Seit Jahren fordern die Verbände der Sicherheitsunternehmen mehr Befugnisse für ihre Arbeit. Dies hätte mit einem ersten Gesetz für das Sicherheitsgewerbe, wie es im Koalitionsvertrag der GroKo vorgesehen war, Realität werden können. Durch die Corona-Pandemie verzögert sich dieses Vorhaben, und einen Gesetzesentwurf wird es in dieser Legislaturperiode nicht mehr geben. Doch das ist noch lange kein Grund aufzuatmen. Denn klar ist, sie werden weiter lobbyieren, und eindeutige Schritte in Richtung Befugnis-Erweiterung wurden bereits unternommen. Ein solches Gesetz könnte empfindlich in unsere Grundrechte eingreifen. Dies würde nicht nur Asylsuchende in Sammellagern treffen. Die Lobby für eine neu aufgestellte ›Hilfspolizei‹ sieht sich auch auf Großveranstaltungen (Fußballspiele, Festivals usw.) und im öffentlichen Raum (betroffen potentiell: Obdachlose, Jugendliche, Betroffene von Rassismus insgesamt) für ›Sicherheit‹ und ›Ordnung‹ zuständig.

Wir wollen dazu gemeinsam mit Euch über rechts- und gesellschaftspolitische Fragen diskutieren und haben dazu Referierende eingeladen, die über den aktuellen Stand berichten werden. Im Einzelnen wollen wir berichten und diskutieren über:

  • Was wissen wir von den Plänen zu einem SDLG-E? Bekommen wir eine neue Rechtslage?  Wie sollen   profitorientierte Firmen für ›Sicherheit‹ sorgen? Was ist die Rechtsfigur der Beleihung?
  • Welche Rolle spielt die Security (kommerzielles Wachpersonal) im Alltag für Bewohner*innen in den Landeserstaufnahmen/ANKER-Zentren? Was hat das mit Hausordnungen zu tun?
  • Wem sollen Hausordnungen dienen? Wo sind Hausordnungen rechtswidrig, da sie Grundrechte einschränken? Was dürfen Sicherheitsdienstleistende überhaupt? Warum sind sie dort tätig?
  • Nicht nur Geflüchtete sind von kommerziellen Sicherheitsdiensten in öffentlichen und privaten Räumen betroffen. Auch Wohnungslose und Jugendliche sind ihnen ausgesetzt. Was bedeutet das für deren Alltag?

Diese und andere Fragen diskutieren wir mitWalter Schlecht (Aktion Bleiberecht, Freiburg/Brsg.)
Anne-Marlene Engler (Humboldt Universität zu Berlin)
Hartmut Aden (Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin), tbc
Andreas Abel (Gangway e.V., Berlin) Moderation Katharina Grote (Bayerischer Flüchtlingsrat e.V., München)

Eine Veranstaltung von Lager-Watch (Aktion Bleiberecht, Freiburg/Brsg.; Pro Bleiberecht, Mecklenburg-Vorpommern; Bayerischer Flüchtlingsrat) und Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV e.V.)

Zugang Die Veranstaltung findet via ZOOM statt. Bei Interesse meldet Euch bitte über kontakt@fluechtlingsrat-bayern.de an. Wir senden die Zugangsdaten dann per E-Mail zu. Die Teilnahme ist kostenlos.
Diskutiert und mobilisiert wird alsbald auch unter #noSDLG-E    

Hintergrund der Veranstaltung

In einem bundesweiten Zusammenschluss aus Initiativen und Organisationen der Geflüchteten-Solidarität haben wir uns in den letzten Monaten mit dem Problem rechtswidriger Hausordnungen und daraus resultierender Grundrechtsverletzungen durch kommerzielles Sicherheitspersonal beschäftigt. Dabei stießen wir auf das Vorhaben der Bundesregierung, erstmals ein sog. Sicherheitsdienstleistungsgesetz (SDLG-E) für kommerzielle Sicherheitsdienste zu erlassen. Dem in Rede stehenden Referent*innenentwurf ging eine »Workshop-Reihe« voraus. Durchgeführt wurde diese durch das BMI unter Teilnahme der großen Sicherheitsunternehmen und deren Lobbyverbänden. Kritische Stimmen und Positionen potentiell Betroffener wurden dabei nicht einbezogen. Das wollen wir ändern und laden Euch ein, uns gemeinsam breit mit dem Thema zu befassen und hier mehr Transparenz einzufordern. Denn das Gesetz ist ein Angriff auf unser aller Freiheit.

Eine Zusammenfassung zum bisherigen Recherchestand findet sich hier:
https://www.aktionbleiberecht.de/?p=18900

Gerechtigkeit für Qosay Sadam Khalaf

Am Samstag, den 12.6.2021 fand in Hannover eine kraftvolle Demo statt, um Gerechtigkeit für Qosay Sadam Khalaf einzufordern! Aus dem Aufruf:“

Qosay Sadam Khalaf starb in der Nacht vom 05. auf den 06. März 2021, nachdem er in Delmenhorst in Polizeigewahrsam genommen wurde. Ausgangspunkt des Ganzen war eine Kontrolle wegen „mutmaßlichem Betäubungsmittelkonsum“. Eine Obduktion von Qosays Körper zeigt Spuren von Gewalteinwirkung: Einblutungen, Wunden und Abschürfungen. Doch der Tod wird von der Polizei nur als „tragischer Unglücksfall“ abgewiesen – wieder mal. Ein kritisches Hinterfragen des Rassismus der Polizei bleibt aus. Qosay war als Jugendlicher vor der Terrormiliz des Islamischen Staat geflohen. Sein Vater hatte ihn aus Südkurdistan nach Europa geschickt. Um dem Völkermord an den Yezid*innen zu entgehen, baute er sich ein neues Leben in Deutschland in der Hoffnung um Sicherheit und Frieden auf. Doch was ist das für eine Sicherheit und was ist das für ein vermeintlicher Frieden in Deutschland, in dem Menschen unerklärt in Polizeigewahrsam sterben, in dem strukturell und institutionell Rassismus besteht, in dem Kritik an der bestehenden Problematik abgewiesen und Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe sterben müssen?

Wir fordern lückenlose Aufklärung! In Deutschland hat es schon mindestens 181 Tote in Polizeigewahrsam gegeben. Rassistische Kontrollen bzw. Racial Profiling ist für viele Menschen in Deutschland Alltag. Gleichzeitig wird die Polizei vom Großteil der Menschen in Schutz mit dem Argument genommen, dass diese für Sicherheit sorgen. Dabei ist diese vermeintliche Sicherheit ein Privileg und keine Normalität.“