Keine Knäste – keine Flüge! Demo gegen die Normalität von Abschiebehaft und Abschiebungen!!!

Am 8. Dezember 2000 hat sich der 17-jährige Arumugasamy Subramaniam im Abschiebegefängnis Hannover-Langenhagen das Leben genommen. Erst wenige Monate zuvor, im Mai 2000 wurde die JVA als Niedersachsens zentrales Abschiebegefängnis in Betrieb genommen. Direkt am Flughafen kann der Ort symbolträchtiger nicht sein. Hier werden Menschen aus Niedersachsen und in Amtshilfe auch aus anderen Bundesländern inhaftiert, um ihre Abschiebung durchzusetzen.

Das Bündnis „Gemeinsam in die Offensive“ nimmt den 21. Jahrestag des Todes von Arumugasamy Subramaniam zum Anlass, an die Opfer der unmenschlichen Abschiebemaschinerie zu erinnern und die Beendigung von Abschiebehaft zu fordern. Wir protestieren gegen die Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit von Abschiebungen.

Wir wollen deutlich machen, dass wir uns gegen die deutsche und europäische Politik der Abschottung, Ausgrenzung und Entrechtung stellen und für eine solidarische Gesellschaft kämpfen, in der das Recht auf Bewegungsfreiheit weltweit gilt.

Keine Knäste, keine Flüge!

Gegen die Normalität von Abschiebehaft und Abschiebungen!

Kommt zur Demonstration am Sa., 11.12.2020, um 14.00 Uhr

Ort: Opernplatz, Hannover

Abschiebungshaft in Deutschland

Statistik Rechtsanwalt Peter Fahlbusch, Hannover

[Stand 9.5.2020] „Seit 2001 habe ich bundesweit 1.982 MandantInnen in Abschiebungshaftverfahren vertreten. 982 dieser MandantInnen (d. h, 49,5 %) wurden nach den hier vorliegenden rechtskräftigen Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert (manche „nur“ einen Tag, andere monatelang). Zusammen gezählt kommen auf die 982 MandantInnen sechsundzwanzigtausendeinhundertundneun (in Zahlen 26.109!!!) rechtswidrige Hafttage, das sind rund 71 Jahre rechtswidrige Inhaftierungen. Im Durchschnitt befand sich jede/r Mandant/in knapp 4 Wochen (genau: 26,6 Tage) zu Unrecht in Haft. Rund 150 Verfahren laufen z.Zt. noch.“

Statistik des Bundesgerichtshofes (5. Zivilsenat)

Seit 2015 Beschäftigung mit 301 Abschiebungshaftfällen; in rund 13 Prozent [wohl 40 Fällen] Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Landgericht; in 99 Fällen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und endgültige Entscheidung des BGH [= 33 Prozent]. (Quelle: Süddeutsche Zeitung, 28.1.2019: Auch Abgelehnte haben Rechte).

Abschiebungshafteinrichtungen 2020

BundeslandOrtKapazität (Plätze) Weitere Plätze (Plan)Tatsächlich Inhaftierte Ende Mai 2020Ehemalige/Aktuelle Justizvollzugsanstalt
  InsgesamtDavon Frauen      
Baden-WürttembergPforzheim360805ehemalige JVA
BayernEichstätt9610 10ehemalige JVA
 Erding240 unbek.ehemalige JVA
 München (Flughafen)30020 Abschiebungshaft; 29 Transitunterkunftunbek.nein
BerlinBerlin-Lichtenrade (für „Gefährder“)8-100 0ehem. Jugendarrestanstalt
BrandenburgFlughafen Schönefeld (Ausreisegewahrsam)10keine Angabe 0nein
BremenPolizeipräsidium Bremen20keine Angabe 1nein
HamburgFlughafen (auch Ausreisegewahrsam)20keine Angabe unbek.nein
HessenDarmstadt-Eberstadt200800ehemalige JVA
 Frankfurt/M.-Flughafenca. 45keine Angabe unbek.nein
NiedersachsenHannover-Langenhagen (auch Ausreisegewahrsam)68keine Angabe unbek.nein
Nordrhein-WestfalenBüren1750 ca. 3-5ehemalige JVA
Rheinland-PfalzIngelheim40keine offizielle Angabe, faktisch bis 13 1nein
SachsenDresden (auch Ausreisegewahrsam)24 Abschiebungshaft; 34 Ausreisegewahrsamkeine Angabe 0nein
Sachsen-AnhaltSchkopau-Raßnitzinsg. 15 Plätze für Abschiebungshaftkeine Angabe unbek.aktuelle Jugendstrafanstalt
 U-Haft-Bereich der JVA Halle (Saale) keine Angabe unbek.aktuelle JVA
 U-Haft-Bereich der JVA Burg keine Angabe unbek.aktuelle JVA

Zwecks Übersichtlichkeit die oben stehende Tabelle als pdf zum Download


Hinweis zu dieser Statistik: Es gibt keine Stelle, die Zahlen zur Abschiebungshaft kontinuierlich und nach einheitlichen Kriterien erhebt. Die meisten vorstehenden Angaben stammen von Anwälten und Beratungsorganisationen und beziehen sich auf unterschiedliche Stichtage, so dass eine verlässliche Vergleichbarkeit nicht gegeben ist, sondern allenfalls grobe Tendenzen herausgelesen werden können. Besonders die tatsächlichen Belegungszahlen können sich außerdem von Tag zu Tag ändern.

Geplante weitere Abschiebungshafteinrichtungen

BundeslandOrtgeplante Kapazität (Plätze)
BayernHof (ab Ende 2020)80-150
Passau200
Sachsen-AnhaltDessau-Roßlau30
Schleswig-Holstein (mit Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern)Glückstadt60

Gesetzliche Regelungen über den Abschiebungshaftvollzug

BundeslandVorschriftFundstelle
Baden-WürttembergAbschiebungshaftvollzugsgesetz Baden-WürttembergGBl. 2015, S. 1187
BerlinGesetz über den Abschiebungsgewahrsam im Land Berlin Ordnung für den Abschiebungsgewahrsam im Land Berlin (Gewahrsamsordnung)GVBl. 1995, S. 657

ABl. 2018, S. 4934
BrandenburgAbschiebungshaftvollzugsgesetzGVBl. I 1996 S. 98
BremenGesetz über den Abschiebungsgewahrsam; dazu Erlass des Senators für Inneres über die Durchführung der Abschiebungshaft in Gewahrsamseinrichtungen des Polizeivollzugsdienstes (Gewahrsamsordnung) vom 6.6.2002, geändert durch Erlass vom 10.7.2008 – Az.: 124-71-51/010.Brem.GBl. 2001, 405
HamburgGesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft (Hamburgisches Abschiebungshaftvollzugsgesetz)HmbGVBl. 2018, S. 85
HessenGesetz über den Vollzug ausländerrechtlicher FreiheitsentziehungsmaßnahmenGVBl. 2017 S. 474
Nordrhein-WestfalenAbschiebungshaftvollzugsgesetz NRW, geändert durch Gesetz vom 18.12.2018 geändert durch Gesetz vom 12.7.2019GV.NRW.2015, 901 GV.NRW.2018, 770 GV.NRW.2019, 365
SachsenGesetz zur Regelung des Vollzugs der Abschiebungshaft und des Ausreisegewahrsams im Freistaat Sachsen vom 28. Juni 2018SächsGVBl. 2018, S. 458
Schleswig-HolsteinAbschiebungshaftvollzugsgesetz Schleswig-HolsteinGVOBl. Schl.-H. 2019 S. 78

8. Juni 2020 / Stefan Keßler

Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland

Rechtswidrige Abschiebungshaft

Aktuelle Statistik zur rechtswidrigen Abschiebungshaft, oder: Der Wahnsinn geht weiter, immer weiter

von Rechtsanwalt Peter Fahlbusch

Wahrscheinlich kennen Sie Punxsutawney. Und täglich grüßt das Murmeltier. Ist eine US-amerikanische Filmkomödie aus dem Jahr 1993. Bill Murray spielt darin einen arroganten, egozentrischen und zynischen Wetteransager, der in einer Zeitschleife festsitzt und ein und denselben Tag immer wieder erlebt…

Genauso geht es mir mit meinen Abschiebungshaftverfahren. Zeitschleife. Hier die ganz aktuelle Abschiebungshaftstatistik, Stand 9.5.2020:

Seit 2001 habe ich bundesweit 1.982 MandantInnen in Abschiebungshaftverfahren vertreten.

982 dieser MandantInnen (dh 49,5 %) wurden nach den hier vorliegenden rechtskräftigen Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert (manche „nur“ einen Tag, andere monatelang). Zusammengezählt kommen auf die 982 MandantInnen sechsundzwanzigtausendeinhundertundneun (in Zahlen 26.109!!!) rechtswidrige Hafttage, das sind rund 71 Jahre rechtswidrige Inhaftierungen. Im Durchschnitt befand sich jede/r Mandant/in knapp 4 Wochen (genau: 26,6 Tage) zu Unrecht in Haft. Rund 150 Verfahren laufen z.Zt. noch.

Meine Statistik ist repräsentativ. Interessanterweise sind die von mir erhobenen Zahlen seit Jahren fast gleich (d.h. immer rund 50 % der MandantInnen zu Unrecht und zwar im Durchschnitt immer knapp 4 Wochen rechtswidrig in Haft). Täglich grüßt das Murmeltier. Hier ist Punxsutawney.

Insgesamt ist der Befund ein Armutszeugnis. Ein Armutszeugnis für alle am Verfahren Beteiligten. Art. 104 GG, das Kronjuwel unserer Verfassung, scheint relativierbar: Für manche Menschen gilt er schlicht nicht. Und scheinbar macht das auch nichts. Die wenigsten kümmert`s. Weiter so wie immer, weiter, immer weiter…

Quelle: https://www.nds-fluerat.org/43645/aktuelles/rechtswidrige-abschiebungshaft-2/