2018 wurde ein Abschiebegefängnis in Darmstadt fertig gestellt und zu Beginn 2021 von 20 auf 80 Plätze erweitert. Hier der Newsletter der PiA (Hilfe für Personen in Abschiebehaft) Darmstadt vom März 2021.
‚List of Deaths‘ veröffentlicht von Unitedagainstrefugeedeaths
Unitedagainstrefugeedeaths dokumentiert Tode von Geflüchteten im Zusammenhang mit der Festung Europa und veröffentlicht sie in einer ‚List of Deaths‘ um auf das unnötige Sterben und die menschenverachtende Politik der EU aufmerksam zu machen. Auf ihrer Homepage könnt ihr euch über die Kampagne informieren und diese unterstützen
Zwei Demos am Samstag, 27.03.
Liebe Seebrücke – Unterstützer*innen,
wir laden Euch ein, am Samstag den 27.03. im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus mit uns auf die Straße zu gehen. Wir wollen gemeinsam laut sein für eine solidarische Welt, in der Rassismus keinen Platz hat.
Die europäische Abschottungspolitik steht exemplarisch für das rassistische System, in dem wir leben. Aktuell befinden sich weltweit mehr als 80 Millionen Menschen auf der Flucht. Allein letztes Jahr sind über 3174 Schutzsuchende weltweit auf den lebensgefährlichen Fluchtrouten gestorben.Europas rassistische Antwort auf diese Menschen sind Lager an den EU Außengrenzen, in denen die Menschen unter elenden unmenschlichen Bedingungen festgehalten werden. Deutschlands rassistische Antwort ist die Förderung der EU-Grenzschutzagentur Frontex und damit illegale Pushbacks. Deutschlands rassistische Antwort ist auch die Kriminalisierung von Seenotrettung und die Abschiebung von hier lebenden Menschen, etwa in das Bürgerkriegsland Afghanistan. Und Niedersachsens rassistische Antwort ist die Unterstützung durch Bereitstellung des Flughafens Hannover – Langenhagen, wie jüngst für die Sammelabschiebung am 10.03. Gleichzeitig wird in Deutschland mit Denkmälern immer noch der eigenen Kolonialverbrechen gehuldigt.
Wir kritisieren dieses rassistische Handeln, das uns weismachen will, dass diese Zustände normal sind, zutiefst. Lasst uns diesen Zuständen am Samstag auf der Straße etwas entgegenstellen – für sichere Fluchtwege nach Europa, für die sofortige Evakuierung der Lager an den Außengrenzen und in Deutschland, für Bewegungsfreiheit für alle Menschen!
Denkt bitte an FFP2 Masken. Solltet ihr keine haben, könnt ihr euch gerne und natürlich kostenlos eine am Lauti abholen. Seid solidarisch und haltet bitte ausreichend Abstand zu den Menschen um euch.
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Demonstration: Housing Action Day 27. März 2021 / 14 Uhr Küchengarten
Wohnraum für Alle
Gegen Gentrifizierung und Wohnungslosigkeit
Wir unterstützen den Aufruf zum europaweiten Housing Action Day:
Bei zweistelligen Minusgraden und Pandemie mussten diesen Winter Menschen draußen schlafen, während viele Wohnungen und Hotelzimmer leer standen. In Hannover wurden mindestens drei wohnungslose Menschen draußen tot aufgefunden. Diese Menschen sollen zwar nicht erfroren sein, aber dass ihr Tod die Folge ihrer Wohnungslosigkeit war, liegt nahe. Die Maßnahmen, welche die Stadt zur Unterbringung von Wohnungslosen unternommen hat, kamen zu spät, waren nicht ausreichend und entsprachen in den meisten Fällen nicht den Bedürfnissen der Betroffenen. Viele Wohnungslose ziehen es vor, auf der Straße zu schlafen, statt in die Massenunterkünfte zu gehen, da die Bedingungen dort menschenunwürdig sind. Auch wenn nun endlich der Frühling kommt und die Temperaturen wieder steigen, bleibt Wohnungslosigkeit weiterhin ein Problem. Auch zu wärmeren Jahreszeiten sollte kein Mensch gezwungen sein, auf der Straße zu schlafen.Wir begrüßen, dass immer mehr Wohnungslose ihre Situation nicht mehr tatenlos hinnehmen. Bereits im vergangenen Dezember gab es die Besetzung eines städtischen Gebäudes gemeinsam mit Wohnungslosen. Leider ließ die Stadtverwaltung das Gebäude unmittelbar räumen. Umso mehr haben wir uns gefreut nach der Räumung von stillen Besetzungen durch Wohnungslose zu hören.
Während die Einen ihre Wohnungen schon verloren haben, müssen Andere im Angesicht von Gentrifizierung und steigenden Mieten um diese fürchten. Auch während der Pandemie, in welcher viele Menschen endgültig in eine Existenzkrise geraten sind, streichen Immobilienkonzerne weiter Profite ein. Gerade in angesagten Vierteln, wie der Nordstadt oder in Linden, steigt die Nachfrage an Wohnraum enorm. Diese macht diese Viertel für Immobilienkonzerne als Profitquelle attraktiv. Aber auch in anderen Stadtteilen versuchen gerade große Konzerne wie Vonovia oder die Deutsche Wohnen maximale Rendite mit ihren Wohnungen zu machen. Doch auch hier formiert sich immer mehr Widerstand: Seien es Initiativen von Mieter*innen, die Kampagne „Deutsche Wohnen enteignen“ oder militante Angriffe auf die Infrastruktur der Wohnungskonzerne.
Die Kämpfe gegen Wohnungslosigkeit und Gentrifizierung gehören zusammen. Lasst sie uns zusammen führen und gemeinsam für eine Stadt kämpfen, die uns Allen gehört, in der wir Alle da wohnen können wo wir wollen und die wir gemeinsam nach unseren Vorstellungen gestalten. Kommt daher anlässlich des europaweiten Housing Action Days mit uns auf die Straße.
Wenn ihr von leerstehendem Wohnraum wisst oder von Wohnungslosigkeit betroffen seid, wird es auf der Demo die Möglichkeit geben, sich auszutauschen. Wir sehen uns!
Samstag, 27. März, 14 Uhr – Küchengartenplatz, Hannover
Haltet bitte Abstand zueinander und tragt medizinische Masken
Das Bündnis „Auf die Plätze!“* wird an diesem
Samstag, 13. März ab 12 Uhr auf dem Theodor-Lessing-Platz
mit einer Kundgebung unter dem Motto „Solidarität statt rechter Parolen“ für mehr Solidarität in der Pandemiekrise werben und sieht sich damit als wichtigen mehrheitsfähigen Gegenpol zu den rechtsoffenen Demos der sog. »Querdenker:innen«, die sich ebenfalls für Samstag in der Landeshauptstadt (Trammplatz) angekündigt haben. Die Demos der Coronaleugner:innen sind brandgefährlich. Abstruse Verschwörungserzählungen und rechte Parolen sind nur zum Spalten der Gesellschaft geeignet – genau das ist deren Ziel. Auf Die Plätze will stattdessen auf die wirklich brennenden Probleme hinweisen: die Lage von Pflege- und Rettungspersonal, Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen oder gar ohne Arbeit, Wohnungslosen, Geflüchteten und vielen anderen ohne Lobby. Deswegen kommen wir am Samstag mit Abstand, Maske und Solidarität zusammen und lassen einige dieser Menschen auf unserer Bühne zu Wort kommen.
Aktuelle Abschiebungshaftstatistik, Stand 22.2.2021
Rechtsanwalt Peter Fahlbusch:
Guten Tag,
und immer noch grüßt -täglich- das Murmeltier. Die Abschiebegaftgefangenen leben in einer Zeitschleife.
Hier meine ganz aktuelle Abschiebungshaftstatistik, Stand 22.2.2021:
Seit 2001 habe ich bundesweit 2.074 Menschen in Abschiebungshaftverfahren vertreten.
1.023 dieser Menschen (dh 49,6 %) wurden nach den hier vorliegenden rechtskräftigen Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert (manche „nur“ einen Tag, andere monatelang).
Zusammengezählt kommen auf die 1.023 Gefangenen siebenundzwanzigtausendeinhunderteinundneunzig (in Zahlen 27.191) rechtswidrige Hafttage, das sind knapp 75 Jahre rechtswidrige Inhaftierungen.
Im Durchschnitt befand sich jede/r Mandant/in knapp 4 Wochen (genau: 26,6 Tage) zu Unrecht in Haft.
Rund 130 Verfahren laufen z.Zt. noch.
Meine Statistik ist repräsentativ. Überraschenderweise haben „offizielle“ Stellen -angeblich- keine Zahlen, obschon jeder städtische Straßenbaum am Wegesrand gezählt wird etc. (vgl. zB https://www.nuernberg.de/imperia/md/agenda21/dokumente/projektdokumentation_2019_i.pdf , Platz 1 für Karlsruhe mit 4,3 glücklichen Einwohnern pro Baum, während Berlin trotz 431.056 Bäumen knapp am Edelmetall vorbeigeschrammt und auf Platz 4 gelandet ist, da sich dort ein Baum um 8,5 Menschen kümmern muss).
Dass die von mir erhobenen Haftzahlen seit Jahren fast identisch sind (dh immer rund 50 % der MandantInnen zu Unrecht und zwar im Durchschnitt immer knapp 4 Wochen rechtswidrig in Haft) sage ich auch schon seit Jahren. Auch hier grüßt täglich das Murmeltier.
Insgesamt ist der Befund ein Armutszeugnis. Ein Armutszeugnis für alle am Verfahren Beteiligten. Art. 104 GG, Kronjuwel unserer Verfassung, gilt für manche Menschen nicht. Und -das stimmt mich noch nachdenklicher- kümmert das kaum jemanden.
Alles würde besser, wenn die Gefangenen vom Tag der Festnahme einen Anwalt (à la Pflichtverteidigung) bekämen. Insofern hier noch ein Hinweis auf einen lesenswerten Aufsatz von Richterin am BGH Schmidt-Räntsch (Asylmagazin 2020, Heft 9, 292ff., Anhang) Auf S. 298, vorletzter Satz weist Schmidt-Räntsch wörtlich darauf hin, dass die gegenwärtige Praxis (=Inhaftierung von anwaltlich nicht vertretenen Menschen) „eines Rechtsstaats nicht würdig ist“ und dringend geändert werden sollte.
Artikel zu Abschiebehaft in der TAZ
Der Journalist Michael Trammer hat in der TAZ einen Artikel zu Abschiebehaft und dem Knast in Langenhagen veröffentlich.
Sehr lesenswert!
Break free!
Für eine Welt ohne Knäste Mauern, Grenzen!
Weg mit der Abschiebehaft!
Am 8. Dezember 2000 hat sich der 17-jährige Arumugasamy Subramaniam im Abschiebegefängnis Hannover-Langenhagen das Leben genommen. Erst wenige Monate zuvor, im Mai 2000 wurde die JVA als Niedersachsens zentrales Abschiebegefängnis in Betrieb genommen. Direkt am Flughafen in drei Gebäuden eines ehemaligen Kasernengeländes, die noch in den 90er Jahren einmal Teil der „Zentralen Aufnahmestelle für Asylsuchende“ waren, kann der Ort symbolträchtiger nicht sein. Hier werden Menschen aus Niedersachsen und in Amtshilfe auch aus anderen Bundesländern inhaftiert, um ihre Abschiebung durchzusetzen.
So sollte auch Arumugasamy Subramaniam aus dem Gefängnis nach Sri Lanka abgeschoben werden. Der tamilische Jugendliche lebte bereits seit über fünf Jahren in Deutschland und sollte nun zwangsweise nach Sri Lanka gebracht werden, wo zu der Zeit noch der Bürgerkrieg zwischen der tamilischen Unabhängigkeitsbewegung und der sri-lankischen Regierung in vollem Gange war. Sein Onkel, der die deutsche Staatsbürgerschaft hatte, bemühte sich vergeblich um seine Adoption. Arumugasamy Subramaniam fürchtete, in Sri Lanka sofort inhaftiert und misshandelt zu werden. Er sah in seiner Verzweiflung offenbar keinen anderen Ausweg als den Suizid.
Die Inhaftierung ist der weitestgehende gesetzlich zugelassene Eingriff des Staates in die persönlichen Rechte von Menschen und die schärfste Maßnahme innerhalb der Abschiebemaschinerie, um die zwangsweise Ausreise von Menschen durchzusetzen. Bis zu 18 Monate können Menschen eingesperrt werden, ohne dass sie eine Straftat begangen hätten.
Abschiebegefängnisse stehen am Ende eines repressiven Systems, dem Schutz suchende Menschen von Anbeginn in Europa unterworfen sind und das v.a. durch Lager und dem Bestreben der Behörde nach permanenter Kontrolle gekennzeichnet ist. Es beginnt für viele Geflüchtete bereits in den unmenschlichen Camps an den EU-Außengrenzen und findet in Deutschland seine Fortsetzung in sog. Aufnahmezentren und den beschönigend bezeichneten AnkER-Zentren („Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückkehrzentren“).
Abschiebegefängnisse sind Ausdruck eines gnadenlosen Willens, ein Migrationsregime durchzusetzen, der seine Entsprechung an den EU-Außengrenzen in Grenzzäunen, illegalen Pushbacks, Sabotage von ziviler Seenotrettung oder konkreten z.T. tödlichen Angriffen durch Frontex und Grenzschutztruppen auf Schutz suchende Menschen findet.
Seit 101 Jahren, seit den Anfängen der Weimarer Republik, gibt es inzwischen in Deutschland Abschiebungshaft. Diese lange menschenverachtende Tradition ist für uns kein Grund diese Praxis der Entrechtung stillschweigend zu akzeptieren. Wir wollen die Menschen in den Abschiebegefängnissen nicht vergessen und ihnen unsere Solidarität zum Ausdruck bringen.
Wir nehmen den 20. Jahrestag des Todes von Arumugasamy Subramaniam zum Anlass, an die Opfer der unmenschlichen Abschiebemaschinerie zu erinnern und die Beendigung von Abschiebehaft zu fordern. Wir protestieren gegen die Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit von Abschiebungen.
Wir wollen deutlich machen, dass wir uns gegen die deutsche und europäische Politik der Abschottung, Ausgrenzung und Entrechtung stellen und für eine solidarische Gesellschaft kämpfen, in der das Recht auf Bewegungsfreiheit weltweit gilt.
Break Free!
Für eine Welt ohne Knäste, Mauern, Grenzen!
Kommt zur Kundgebung am Sa., 12.12.2020, um 12.00 Uhr
Ort: Ernst-August-Platz
Es rufen auf:
Solinet Hannover, Autonomes Feministisches Kollektiv Hannover, NAV-DEM Hannover, Antifa L, Hannover Solidarisch
Kundgebung „Hannover ist unsicherer Hafen. Papiere statt Nummern!“ am 09.11.2020 vor der Ausländerbehörde
***englisch below***
Kundgebung vor der Ausländerbehörde
(Am Schützenplatz 1, 30169 Hannover)
09.11.2020, 07.00 Uhr
Wir kommen wieder. Weiterhin keine kommunale Daseinsvorsorge in Hannover.
Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit erhalten keine Papiere, sondern eine lächerlich geringe Anzahl von Terminen. Die Stadt versucht, mit dem neuen Online-Anmeldeverfahren die Betroffenen, die vorher nächtelang in Warteschlangen vor der Behörde warteten, unsichtbar zu machen. Aber die Menschen sind noch da – ohne Sicherheit.
Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie ist die Ausländerbehörde noch schwieriger zu erreichen als sowieso schon üblich. Vergeblich haben in den vergangenen Monaten viele Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit versucht einen Termin bei der Ausländerbehörde zu vereinbaren. Dies führte dazu, dass die Menschen vermehrt persönlich die Ausländerbehörde aufgesucht haben und sich vor dem Gebäude lange Warteschlangen bildeten.
Die Ausländerbehörde hat pro Tag 100 Nummern vergeben. Die Menschen, die keine Nummer bekommen haben, sollten am darauffolgenden Tag wiederkommen. Um eine dieser Nummern zu ergattern, stellten sich die Menschen bereits morgens um 4 Uhr an und mussten stundenlang warten bis die Behörde öffnete.
Aktuell gibt es Zugeständnisse von Verwaltung und Politik, die menschenunwürdigen Verhältnisse bei der Ausländerbehörde anzugehen. Ein Onlineformular zur Termin-vereinbarung wurde eingerichtet; ein Besuch ist nur noch mit Voranmeldung möglich. Dieses Onlineformular schaltet sich beim „Erreichen der Spontan-kund*innenbedienkapazität“ automatisch ab. Der Wettbewerb um einen Termin wird in der darauffolgenden Woche wieder eröffnet.
Die Menschen aus den Warteschlangen werden unsichtbar gemacht. Damit mag sich die Landeshauptstadt wohler fühlen – für die Betroffenen indes ist nichts erreicht. Die Zustände ändern sich durch das neue Verfahren nicht ausschlaggebend. Sicherlich suchen weniger Menschen morgens bzw. nachts in der Kälte die Ausländerbehörde auf. Dennoch sind Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit weiterhin langen Wartezeiten für einen Termin bei der Ausländerbehörde ausgesetzt, sodass ihre Anliegen nicht (rechtzeitig) erledigt werden können.
Das hat zur Folge, dass die Menschen keine gültigen Aufenthaltspapiere bei bspw. Polizeikontrollen vorzeigen können. Ohne gültige Aufenthaltspapiere wird es weiterhin Schwierigkeiten geben, Leistungen vom Sozialamt und Jobcenter (pünktlich) zu erhalten oder aber eine Arbeit/Ausbildung aufzunehmen. Auch eine – auf dem rassistisch
strukturierten Wohnungsmarkt ohnehin erschwerte – Wohnungsanmietung ist unter diesen Umständen unvorstellbar.
Es hilft nicht, wenn 100 Menschen pro Tag ihr „Anliegen vortragen“ dürfen. Das Vorgehen der Landeshauptstadt verschärft die prekäre Situation der Menschen, die in rassistischen Verhältnissen auch außerhalb einer Pandemie Unsicherheit, Schikane und Diskriminierung ausgesetzt sind.
Wir tragen also ohne Terminvereinbarung unser Anliegen vor:
Beendet den Wettbewerb um Lebenschancen! Schluss mit der Elendsverwaltung! Gebt den Menschen Papiere!
Kundgebung vor der Ausländerbehörde
09.11.2020. 07.00 Uhr
Bitte passt auf Euch auf und achtet auf einander. Bei der Kundgebung
tragen wir Mund-Nasen-Bedeckung und halten Abstand.
Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Hannover
Hannover is an unsafe port. Papers instead of numbers!
Demonstration in front of the foreigners‘ registration office
(Am Schützenplatz 1, 30169 Hannover)
09.11.2020, 07.00 a.m.
We’ll be back. Still no local public services in Hannover.
People without German citizenship do not receive any papers, but a ridiculously small number of appointments. With the new online registration procedure, the city is trying to make those affected invisible who previously waited in queues in front of the authority for nights on end. But the people are still there – without security.
Since the outbreak of the Covid-19 pandemic, the foreigners‘ registration office has been even more difficult to reach than was already the case. In the past months many people without German citizenship have tried in vain to make an appointment with the Foreigners Authority. As a result, people increasingly visited the Foreigners‘ Registration Office in person and long queues formed in front of the building. The Foreigners Authority assigned 100 numbers per day. The people who did not get a number were supposed to come back the next day. In order to get one of these numbers, people already lined up at 4 a.m. in the morning and had to wait for hours until the office opened.
Currently, there are commitments by the administration and politics to address the inhumane conditions at the foreigners‘ registration office. An online form for making an appointment has been set up; a visit is now only possible with advance notice.
This online form is automatically switched off when „spontaneous customer service capacity is reached“. The competition for an appointment will reopen the following week.
The people from the queues are made invisible. This may make the state capital feel more comfortable – but nothing has been achieved for those affected.
The conditions do not change considerably with the new procedure. Certainly fewer people will visit the foreigners‘ registration office in the morning or at night in the cold. Never- theless, people without German citizenship are still exposed to long waiting times for an appointment at the Foreigners‘ Registration Office, so that their concerns cannot be dealt with (in time).
As a result, people cannot present valid residence papers at e.g. police checks. Without valid residence papers, it will continue to be difficult to receive benefits from the social welfare office and job center (on time) or to take up a job/training. Also, renting an apartment – which is already difficult on the racist structured housing market – is unimaginable under these circumstances.
It does not help if 100 people per day are allowed to „present their concern“.
The approach of the state capital worsens the precarious situation of people who are exposed to insecurity, harassment and discrimination in racist conditions even outside of a pandemic.
We therefore present our concern without making an appointment:
End the competition for life chances! Stop the administration of misery! Give people papers!
Demonstration in front of the foreigners‘ registration office
09.11.2020. 07.00 a.m.
Please take care of yourselves and pay attention to each other. At the demonstration we wear mouth and nose covers and keep our distance.
Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Hannover
Gerichte in Niedersachsen: Gemeinsame Inhaftierung von Abschiebungshaft- und Strafgefangenen rechtswidrig
In Niedersachsen wurden kürzlich Strafgefangene im Abschiebungshaftgefängnis inhaftiert. Die gemeinsame Inhaftierung von Abschiebungshaft- und Strafgefangenen sei rechtswidrig, meinen das Amts- und Landgericht Hannover. Das letzte Wort hierzu hat nun erneut der Europäische Gerichtshof (EuGH).
Bereits im Jahr 2014 entschied der Europäische Gerichtshof in einem Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, dass Abschiebungshaftgefangene nicht in Strafanstalten und nicht zusammen mit Strafgefangenen inhaftiert werden dürfen, sondern stets in speziellen Hafteinrichtungen untergebracht werden müssen. Dennoch setzte die schwarz-rote Bundesregierung dieses Trennungsgebot im August 2019 mit dem sog. „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ befristet bis zum 30. Juni 2022 aus. Demnach soll es nunmehr ausreichen, Abschiebungshaftgefangene getrennt von Strafgefangenen unterzubringen (§ 62 Abs. 1 S. 1 AufenthG).
Auf Grundlage dieser neu geschaffenen Regelung inhaftierte das niedersächsische Justizministerium in einem Gebäude auf dem Gelände des zentralen Abschiebungshaftgefängnisses in Langenhagen bis zum 02. Oktober 2020 Strafgefangene.
Muzaffer Öztürkyilmaz, Referent des Flüchtlingsrats Niedersachsen:
„Wir sind enttäuscht darüber, dass Justizministerin Havliza ihr Versprechen, in der JVA Langenhagen ausschließlich Abschiebungshaftgefangene zu inhaftieren, gebrochen hat. Anstatt für viel Geld leerstehende Gebäude zu restaurieren, um Strafgefangene zu inhaftieren, sollte in die Verbesserung der Vollzugsbedingungen für die Abschiebungshaftgefangenen investiert werden.“
Nach Auffassung des Amtsgerichts Hannover verstößt die gemeinsame Inhaftierung von Straf- und Abschiebungshaftgefangenen gegen Art. 16 der sog. Rückführungsrichtlinie, weshalb es dem europäischen Gerichtshof mit Beschluss vom 22. Oktober 2020 verschiedene Fragen zur Entscheidung vorlegte, der nun abschließend über diese entscheiden muss.
Rechtsanwalt Peter Fahlbusch (Hannover):
„Die Bundesregierung hat die Aussetzung des Trennungsgebots damit begründet, dass es zu wenig Abschiebungshaftplätze gäbe. Es fragt sich, was das für ein Abschiebungshaftplatznotstand sein soll, wenn ganze Gebäude in Abschiebungshaftgefängnissen leerstehen, sodass dort sogar Platz für die Inhaftierung von Strafgefangenen ist.“
Das Landgericht Hannover hat es sich ein einem anderen Verfahren einfacher gemacht und am 12. Oktober 2020 schlicht entschieden, dass die angeordnete Haft rechtswidrig war, weil in Langenhagen „neben dem Vollzug der Abschiebungshaft auch Freiheitsstrafen vollstreckt“ wurden.
Die beiden Gefangenen, in deren Verfahren die Entscheidung des Amts- bzw. Landgerichts fiel, sind weiterhin inhaftiert. Da die Strafgefangenen am 02. Oktober 2020 verlegt wurden, spreche aus Sicht der Gerichte nichts gegen ihre weitere Inhaftierung.
Hannover ist unsicherer Hafen – Papiere statt Nummern!
Kundgebung vor der Ausländerbehörde (Am Schützenplatz 1, 30169 Hannover), 26.10.2020, 06.30 Uhr
Die nächtliche Schlange vor der Ausländerbehörde mag sich aufgelösthaben. Die Stadt findet Wege, das rassistische Elend unsichtbar zumachen. Aber die Menschen sind noch da – ohne Sicherheit.
Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie ist die Ausländerbehörde noch schwieriger zu erreichen als sowieso schon üblich. Vergeblich haben in den letzten Wochen und Monaten viele Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit versucht, einen Termin bei der Ausländerbehörde zu vereinbaren. Dies führte dazu, dass die Menschen vermehrt persönlich die Ausländerbehörde aufgesucht haben und sich vor dem Gebäude lange Warteschlangen bildeten. Die Ausländerbehörde hat pro Tag 100 Nummern vergeben. Die Menschen, die keine Nummer bekommen haben, sollten am darauf folgenden Tag wiederkommen. Um eine dieser Nummern zu ergattern, stellten sich die Menschen bereits morgens um 4 Uhr an und mussten stundenlang warten, bis die Behörde öffnete.
Aktuell gibt es Zugeständnisse von Verwaltung und Politik, die menschenunwürdigen Verhältnisse bei der Ausländerbehörde anzugehen. Ein Onlineformular zur Terminvereinbarung wurde eingerichtet; ein Besuch ist nur noch mit Voranmeldung möglich. Dieses Onlineformular schaltet sich beim „Erreichen der Spontankund*innenbedienkapazität“ automatisch ab. Der Wettbewerb um einen Termin wird in der darauffolgenden Woche wieder eröffnet.
Die Menschen aus den Warteschlangen werden unsichtbar gemacht. Damit mag sich die Landeshauptstadt wohler fühlen – für die Betroffenen indes ist nichts erreicht.
Die Zustände werden sich durch das neue Verfahren nicht ausschlaggebend verbessern. Sicherlich werden weniger Menschen morgens bzw. nachts in der Kälte die Ausländerbehörde aufsuchen. Dennoch werden Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit weiterhin langen Wartezeiten für einenTermin bei der Ausländerbehörde ausgesetzt sein, sodass sie ihre Anliegen nicht (rechtzeitig) erledigen können. Dies wird weiterhin zur Folge haben, dass die Menschen keine gültigen Aufenthaltspapiere bei bspw. Polizeikontrollen vorzeigen können oder die Polizei über die ausgestellten Ersatzpapiere nicht informiert ist und diese dann oftmals nicht anerkennt. Ohne gültige Aufenthaltspapiere wird es weiterhin Schwierigkeiten geben, Leistungen vom Sozialamt und Jobcenter (pünktlich) zu erhalten oder aber eine Arbeit/Ausbildungaufzunehmen. Auch eine – auf dem rassistisch strukturiertenWohnungsmarkt ohnehin erschwerte – Wohnungsanmietung ist unter diesen Umständen unvorstellbar.
Es hilft nicht, wenn 100 Menschen pro Tag ihr „Anliegen vortragen“ dürfen. Das Vorgehen der Landeshauptstadt verschärft die prekäre Situation der Menschen, die in rassistischen Verhältnissen auch außerhalb einer Pandemie Unsicherheit, Schikane und Diskriminierung ausgesetzt sind.
Wir tragen also ohne Terminvereinbarung unser Anliegen vor:
Beendet den Wettbewerb um Lebenschancen! Schluss mit der Elendsverwaltung! Gebt den Menschen Papiere!
Kundgebung vor der Ausländerbehörde 26.10.2020, 06.30 Uhr
Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Hannover